Nachruf für Dr. jur. Rolf Krumsiek

 

 

              In alter Freundschaft

Zum Tode von Rolf Krumsiek ein Nachruf
von Wilfried Bartels

Mein alter Freund Rolf Krumsiek ist nach kurzer schwerer Krankheit in der Nacht des 23. Oktober 2009 verstorben. Zuvor hatte er rund 6 Wochen auf der Intensivstation des Uni-Krankenhauses Münster gelegen, weil es nach einer geplanten OP zu unerwartet schweren Komplikationen gekommen war. Sein Zustand hatte sich dann aber so stabilisiert, dass er noch kurze Zeit vor seinem Tod auf die Normalstation verlegt werden konnte. Die damit verbundene Hoffnung auf Genesung war leider ein Trugschluss. Nach einer sehr würdevollen Trauerfeier in der voll besetzten Apostelkirche zu Münster fand die Beisetzung ebenfalls im Beisein von vielen Freunden, Weggefährten und anderen Trauergästen auf dem Zentralfriedhof in Münster statt. 

Die Nachricht von Rolf Krumsieks Tod hat mich und viele andere alte Obernkirchener, die Rolf von früher kannten, schwer getroffen. Unmittelbar vor seinem Krankhausaufenthalt haben meine Frau und ich noch an der Feier zu seinem 75sten Geburtstag teilgenommen. Wir haben ihn dort ein letztes Mal in guter Stimmung und in der ihm eigenen fröhlichen Art im Kreise seiner Familie und Gäste erlebt.

Rolf Krumsiek war ein alter Obernkirchener. Er hat seine Kindheit und Jugend auf der Hütte in Obernkirchen verbracht und war einer der relativ wenigen, die in jener Zeit – noch während des Zweiten Weltkrieges - nach 4 Volksschuljahren in Obernkirchen auf das Gymnasium Adolfinum in Bückeburg wechselten und dort ihr Abitur machten. Viele seiner Schulfreunde nannten ihn „Bömmel“. Ich habe aber keine Ahnung, wie dieser Spitzname entstanden ist und was er bedeutet.

Rolf Krumsiek hat es im benachbarten Bundesland Nordrhein-Westfalen bis zum Justizminister gebracht und ist dabei seiner Heimatstadt Obernkirchen stets verbunden geblieben. Zu Recht wurde er schon zu Lebzeiten  in dieser Internetpräsentation im Abschnitt „Geschichte“ und dort unter „Berühmte Personen und Gruppen aus Obernkirchen“ aufgeführt. Sein Aufstieg bis zum Justizminister und  Abgeordneten des Landtages von Nordrhein-Westfalen sowie seine Verbundenheit zu seiner Heimatstadt Obernkirchen verdienen aus Anlass seines Todes noch einmal eine besondere Würdigung:

Rolf studierte ab 1954 Jura und legte schon 1958 nach nur  8 Semestern die erste juristische Staatsprüfung ab. Mit seinen damals erst 23 Jahren gehörte er nun zu einem der  jüngsten Referendare in Niedersachsen. 1962 schloss er mit der zweiten Staatsprüfung seine Referendarzeit ab und war nun voll ausgebildeter Jurist. Diesen Abschluss krönte er 1965 mit  einer Dissertation (Doktorarbeit)  zum Thema: „Das Bergrecht Schaumburg-Lippes und der Grafschaft Schaumburg“. Der frisch „gebackene“ Doktor wohnte in jener Zeit in der Schluke in Obernkirchen in dem kleinen, damals neu renovierten Battermannschen Fachwerkhaus. Für Insider: Das ist das Haus, in dem viele Jahre der stadtbekannte Schumacher Zumpen Fritz gewohnt hatte.

Rolf Krumsiek begann seine Karriere als Verwaltungsjurist und Assessor beim damaligen Landkreis Schaumburg-Lippe und erfreute sich damals schon großer Beliebtheit, insbesondere auch bei den Kreistagsabgeordneten, die seine volkstümliche Art mochten. Aus dieser Zeit wusste Rolf immer viele Anekdoten zu erzählen. 

1964 wechselte Rolf zur Landeshauptstadt Hannover und war dort als Städtischer Rat zunächst für Baurecht zuständig, aber schon bald für die Geschäftsführung des Niedersächsischen Städtetages, dem kommunalen Spitzenverband insbesondere für die Großstädte. Die Aufgabe wurde nebenamtlich von der Landeshauptstadt wahrgenommen. Diese Stelle war natürlich ein Karrieresprungbrett für jemanden, der sein Fach verstand. Und Rolf verstand es. Er lernte dort alle  Oberstadtdirektoren des Landes kennen und sie ihn. Es dauerte daher auch nicht lange, bis  ihm  ein lukrativeres Amt bei der Stadt Göttingen angeboten wurde, das er 1966 antrat.

Ich absolvierte seit Anfang 1966 nach 11jähriger Polizeidienstzeit eine 3jährige Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst beim Regierungspräsidenten in Hannover als Ausbildungsbehörde. Als ich dann 1969 meine  mündlichen Abschlussprüfung hatte, traute ich zunächst meinen Augen nicht, als ich in der etwa 10köpfigen Prüfungskommission Rolf Krumsiek entdeckte. Ich muss gestehen, dass mich das eher  nervöser gemacht hat. Ein Freund sollte nun wirklich nicht miterleben, dass ich vielleicht bei der einen oder anderen Prüfungsfrage „schwächelte“. Das war dann aber Gott sei Dank nicht der Fall.

Nach der Prüfung erfuhr ich dann von Rolf, dass er auf dem Wege nach Köln war, wo er eine
hoch dotierte Stelle als stellvertretener  Geschäftsführer des Deutschen Städtetages antreten wollte. 

Ich wusste aber, dass es  Rolfs Wunsch und Ziel war, irgendwann und irgendwo Oberstadtdirektor zu werden. 1971 war es dann soweit. Gegen starke Mitbewerber setzte er sich bei der Wahl zum Oberstadtdirektor vom Wuppertal durch. Dieses Amt führte er mit Leidenschaft, Umsicht und Erfolg bis 1980. 

Es war  der damalige und gerade wiedergewählte Ministerpräsident des Landes NRW,  Johannes Rau, der Rolf Krumsiek bat, sein Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei und damit oberster Beamter der Landesverwaltung des größten Bundeslandes  zu werden. Johannes Rau, der früher Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal war, kannte und schätzte ihn und seine Fähigkeiten. Rolf willigte ein. Damit hatte er den Sprung von der Kommunalpolitik in die Landespolitik vollzogen.

Als dann 1983 die Stelle des Ministers für Wissenschaft und Forschung vakant geworden war, wurde Rolf Krumsiek von Johannes Rau in dieses Amt berufen. Die Berufung war nicht unumstritten. Die Presse warf Rolf vor, in Hochschulfragen unerfahren zu sein und viele Würdenträger aus dem Hochschulbereich hatten sich bereits Hoffungen gemacht. Aber so ist das nun mal. Ein Minister muss selbst kein ausgewiesener Spezialist sein, sondern die Fähigkeit besitzen, sich schnell in die  neuen Aufgaben einzuarbeiten und das Richtige sowie   politisch  Gewollte durch- und umzusetzen. Und diese Fähigkeit besaß Rolf ausgezeichnet.

Für die folgende Wahlperiode von 1985 bis 1990 bewarb sich Rolf Krumsiek erstmals als Direktkandidat um ein Landtagsmandat im Wahlkreis des  Alt-Kreises Lübbecke. Dieser Wahlkreis war bisher stets von dem jeweiligen CDU-Kandidaten gewonnen worden.  Diesmal kam es anders: Rolf Krumsiek gewann mit deutlicher Mehrheit. Dieser Erfolg wiederholte sich bei der Wahl 1990.

Nach der Landtagswahl 1985 wurde Rolf – für ihn überraschend – Justizminister. Er hatte dieses Amt 10 Jahre bis zu seinem Ausscheiden aus der Politik 1995 inne.

Diese berufliche Erfolgsgeschichte, so wie ich sie hier dargelegt habe, hört sich sicherlich leichter an, als sie war. Vom Spitzenbeamten zum Spitzenpolitiker zu werden, setzt ein Bündel von Fähigkeiten voraus, über das Rolf aber verfügte -  und natürlich gehörte  auch Glück dazu, das bekanntlich der Tüchtigste braucht, um Erfolg zu haben. 

Trotz seiner hohen Ämter, die mit viel Arbeit und Zeitaufwand verbunden waren, hat Rolf Krumsiek nie vergessen, wo er hergekommen ist, nämlich aus einfachen Verhältnissen von der Hütte in Obernkirchen. Generationen seiner Familie vor ihm haben ihr Leben lang in der Glasfabrik Schauenstein gearbeitet. Auch Rolf hat dort während der Semesterferien zur Finanzierung seines Studiums arbeiten müssen.

Rolf hing bis zum Schluss an seiner Heimatstadt Obernkirchen. Er hat stets Kontakt zu vielen alten Obernkirchenern gepflegt, überwiegend zu Leuten, die bei der Glasfabrik Schauenstein beschäftigt waren. Diese menschlichen Eigenschaften waren es, die ihn so sympathisch und beliebt gemacht haben.

Ich habe daher  auch viele  alte Obernkirchener, von denen ich wusste, dass sie mit Rolf Krumsiek  im  Kontakt standen,  über seinen unerwarteten Tod informiert, bevor es in der Zeitung stand. Die Reaktion  war stets tiefe Betroffenheit. Eine Frau fing bitterlich an zu weinen und wies darauf hin, dass Rolf sie und ihren Mann doch erst noch kürzlich bei seinem letzten Aufenthalt in Obernkirchen besucht habe.

Das war übrigens am 12. 8. d. J. aus Anlass einer Mitgliederversammlung des Fördervereins „Stift Obernkirchen“. Dieser Verein ist  erst vor wenigen Jahren gegründet worden und Rolf Krumsiek gehörte zu den Gründungsmitgliedern. Das beweist, wie sehr er nach all den Jahren immer noch an seiner Heimatstadt gehangen hat. 

Er  hat 1981, als er bereits im Kabinett von Johannes Rau Chef der Staatskanzlei war, sein sehr informatives Buch über Obernkirchen, „Chronik einer alten Stadt“ zu Ende geschrieben und veröffentlicht.  Wegen seiner vielen beruflichen Veränderungen hat das Buch länger auf sich warten lassen als ursprünglich geplant. 

Ich erinnere mich noch gut an die Präsentation dieses Buches im Rathaussaal von Obernkirchen. Rolf  hat mir damals  in das von mir erworbenen Exemplar die Widmung geschrieben: „In alter Freundschaft, dein Rolf“. Inzwischen sind mehr als 28 Jahre vergangen.  Wir, meine Frau und ich, haben uns nun mit seinen damaligen Worten „In alter Freundschaft“ auf der Schleife unsers Blumengestecks von Rolf für immer verabschiedet.

Rolf war mehrfach auch ein gern gesehener und gehörter Gastredner bei verschiedenen Veranstaltungen in Obernkirchen, zuletzt vor zwei Jahren auf Einladung der ev. luth. Kirche in der ehemaligen  „Roten Schule“, wo er seine ersten Schuljahre verbracht hat. Sein Name garantierte  stets eine gut besuchte Veranstaltung.

Ich freue mich, dass wir in den letzten Jahren einmal jährlich mit Rolf Krumsiek  bei mir in unserer Gartenhütte ein Grützeessen veranstaltet haben - wegen der begrenzten Platzkapazität mit wechselnden  Teilnehmern, die alle Rolf von früher kannten. Bei diesen Treffen wurden immer viele alte Geschichten aus Obernkirchen, vor allem „Dönecken“ aus alter Zeit  erzählt.  Aber auch auf dem Gebiet war Rolf ein Meister. 

Rolf Krumsiek wird vielen Menschen fehlen. Seine alten Freunde in Obernkirchen werden ihn nicht vergessen, sondern  bei vielen Gelegenheiten an ihn denken und von ihm  sprechen. Erst wer vergessen ist, ist wirklich tot – Rolf jedenfalls noch lange nicht.